Perfektion. Oder: Wie man sich selbst blockiert

Die Perfektionisten

Es gibt diese Menschen, die gemeinhin als „Perfektionisten“ bezeichnet werden. Vielleicht erkennst du dich selbst ein Stück weit darin wieder. Der Anspruch, Dinge besonders gut, vielleicht sogar absolut makellos zu machen. Der dringende Wunsch, keine Fehler zuzulassen, stets alles unter Kontrolle zu haben, keine Schwäche zu zeigen, und dabei die eigenen Standards immer höher und höher zu setzen. Oberflächlich betrachtet wirkt das wie eine Tugend.

„Ich bin halt ein Perfektionist“ klingt schließlich besser als „Ich habe Angst, nicht zu genügen“. Doch genau hier beginnt das Problem: Perfektion wird häufig als Stärke verkauft, obwohl sie in Wahrheit ein Tarnmantel für tiefer liegende Unsicherheiten sein kann.

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Was ist Perfektion?

Aber was ist „Perfektion“ eigentlich? Im klassischen Sinn bedeutet Perfektion die vollkommene Fehlerfreiheit, der Idealzustand, der nicht mehr verbessert werden kann. Ein 100-Prozent-Ergebnis. Absolute Vollkommenheit. Das klingt zunächst erstrebenswert – schließlich wollen wir Qualität, ausgezeichnete Ergebnisse, Anerkennung und Erfolg. Doch das Streben nach Perfektion unterscheidet sich grundlegend von dem Streben nach Exzellenz. „Exzellenz“ bedeutet, das Beste aus sich herauszuholen. Und dass mit realistischen Maßstäben. Perfektion hingegen kennt keine Grenzen. Und eben genau das macht sie so gefährlich.

Denn wer immer perfekt sein will, der setzt sich selbst einem ständigen inneren Druck aus. Jeder Fehler wird zur Bedrohung des Selbstwerts. Jeder Rückschlag fühlt sich an wie ein Versagen auf ganzer Linie. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem „Tun“, sondern auf der Vermeidung von Fehlern. Was ursprünglich als Motivation begann, verwandelt sich in lähmende Kontrolle. Das Leben wird zur Bühne, auf der man sich selbst inszeniert, aber nie wirklich spielt. Statt zu leben, wird performt. Statt zu fühlen, wird bewertet.

Wo Perfektion sinnvoll ist

Perfektion kann in bestimmten Bereichen durchaus ihre Berechtigung haben. Beispielsweise in der Chirurgie, der Luftfahrt oder der Hochsicherheitsindustrie. Überall dort, wo kleinste Fehler fatale Konsequenzen haben können, ist ein hoher Anspruch an Genauigkeit und Fehlerfreiheit sinnvoll, ja schlichtweg notwendig. Doch diese Anforderungen sind sehr spezifisch, kontextabhängig und oft berufsbedingt. Im Alltag, in zwischenmenschlichen Beziehungen, im kreativen Tun, im persönlichen Wachstum: da kann Perfektion schnell zum selbst errichteten Gefängnis werden.

Der richtige Moment

Viele Menschen blockieren sich unbewusst selbst, weil sie auf den „richtigen“ Moment warten. Sie glauben, erst anfangen zu können, wenn alles passt: der Plan, die Umstände, das Umfeld, die Stimmung, das Timing, das Wissen, das Gefühl. Doch der perfekte Moment existiert nicht. Es gibt nur den jetzigen Moment. Wer auf Perfektion wartet, wird ewig warten. Und während man wartet, verpasst man Chancen. Möglichkeiten ziehen vorbei wie Züge am Bahnsteig – und man bleibt zurück mit einem Ticket, das nie entwertet wurde.

Diese Selbstblockade durch Perfektion hat viele Gesichter: Motivierte Personen, die ihre Business-Idee nie starten, weil sie noch „nicht bereit“ sind. Hobbysportler, die an Wettbewerben nicht teilnehmen, weil sie sich noch nicht gut genug trainiert fühlen, um zu gewinnen. Der Künstler, der sein Werk nie veröffentlicht, weil es „noch nicht gut genug“ ist. Das Leben wird zur Warteschleife, zur Endlosschleife des Zweifelns, Planens, Nachbesserns. Irgendwann verliert man den Mut. Und die Leichtigkeit. Denn Perfektion nimmt dem Leben genau das, was es so lebenswert macht: das Unvollkommene, das Spontane, das Spielerische.

Wer etwas beginnt, muss nicht perfekt sein. Er oder sie muss nur den Mut haben, loszugehen. Auch auf die Gefahr hin, zu scheitern. Auch mit zittrigen Knien. Auch ohne fertigen Plan. Tun ist stärker als planen. Bewegung bringt mehr als Analyse. Lernen geschieht im Machen, nicht im Grübeln. Und oft sind es genau die kleinen Fehler, die uns am meisten lehren – über uns selbst, über das Leben, über das, was wirklich zählt.

Der innere Perfektionist

Die große Lüge der Perfektion ist, dass sie uns vorgaukelt, erst dann „gut genug“ zu sein, wenn wir alles im Griff haben. Doch niemand hat alles im Griff. Und niemand ist immer stark. Wahre Stärke liegt nicht in der Fehlerlosigkeit, sondern in der Fähigkeit, sich selbst trotz Fehlern anzunehmen. Und aus Fehlern zu lernen. Perfektionisten glauben oft, dass sie sich nur dann lieben und akzeptieren dürfen, wenn sie ein bestimmtes Ideal erfüllen. Doch Liebe – sei es die eigene oder die von anderen – braucht keine Bedingungen. Sie braucht Echtheit.

Vielleicht ist es an der Zeit, den inneren Perfektionisten mal zur Seite zu bitten. Ihm zu sagen: „Danke, dass du mich antreiben wolltest. Aber jetzt darfst du dich ausruhen.“ Denn es gibt einen Unterschied zwischen Ansprüchen und Selbstsabotage. Zwischen Motivation und Überforderung. Zwischen einem hohen Standard und dem Drang, immer mehr leisten zu müssen, um sich selbst zu beweisen.

Leichtigkeit statt Perfektion

Leichtigkeit kommt nicht durch Kontrolle. Sie kommt durch Vertrauen. In sich selbst, in den Prozess, in das Leben. Wenn wir aufhören, perfekt sein zu wollen, fangen wir an, echt zu sein. Und das ist nicht weniger, sondern so viel mehr.

Also: Tu es. Auch wenn es noch nicht perfekt ist. Sag ja, auch wenn du noch Zweifel hast. Veröffentliche, auch wenn du Angst vor Kritik hast. Lebe, als wäre heute der Tag, auf den du all die Jahre gewartet hast. Denn vielleicht ist er das.Und wenn nicht? Dann hast du wenigstens gelebt. Und das ist doch schon ziemlich perfekt.